Rezension: Die Winterwacht – Neues im kalten Norden

Das Bornland gehört wohl zu den ikonischten Regionen in Aventurien. Osteuropa und Russland standen für das kalte Land am Born und Walsach Pate. Nach einem erfolgreichen Crowdfunding veröffentlicht Ulisses bald den neuen Hintergrundband für DSA 5. Was euch darin erwartet, lest ihr jetzt.


Die Winterwacht

Seitenzahl: 128

Preis: gedruckt 39,95 Euro, als PDF voraussichtlich die Hälfte


Erwachte Bären werden durch die Kraft des Landes größer, stärker und aggressiver im Bornland.


Bunte Bären

Auf dem Cover ist ein in Pelze gehüllter Kämpfer neben einem aggressiven Bären zu sehen. Das Tier ist von seltsamen Ranken und hellen Fellzeichnungen bedeckt, die ihm ein ungewohnt buntes Aussehen geben. Drumherum befindet sich ein Winterwald. Im Hintergrund stehen Obelisken mit rätselhaften Symbolen um einen seltsam verdrehten Baum mit grünen Blättern zum Trotz gegen die Jahreszeit. Damit wird ein Motiv der Region – das Erwachen der Natur – direkt aufgegriffen.

Wie gewohnt von DSA 5 sind auch die Bilder im Innenteil bunt. Neben dem Cover der alten Bornland-Regionalbeschreibung für DSA 4 gehören dazu auch viele neue Motive. Anders als bisher werden die einzelnen Kapitel nicht von zwei senkrechten Spalten eingeleitet, eine mit einem Zitat, die andere mit einem Bild. Diesmal finden sich zwei horizontale Reihen, wobei das Bild fast den gesamten Platz einnimmt und das Zitat deutlich kleiner ausfällt. Dadurch wirkt der Übergang mehr wie ein neuer Inhalt als eine Fortsetzung des vorherigen Kapitels. Ähnliches gilt für neue Abschnitte innerhalb eines Kapitels, was nochmal einen plastischeren Eindruck des Landes gibt als in älteren Regionalbeschreibungen für DSA 5.

Auch das Cover der DSA-4-Spielhilfe zum Bornland wird für eine der schicken Kapiteleinführungen verwendet.

Als Handout liegen der Druckausgabe nur der Stadtplan von Festum und eine Landeskarte bei. Bei der Stadtkarte wurde die Legende teilweise über die Siedlung geschoben, während die Landkarte an den Seiten (Osten und Westen) recht knapp angeschnitten wird. Zwar gehören weder das Eherne Schwert noch die Rote Sichel zum Bornland. Trotzdem wirkt der Zuschnitt damit etwas knapp, knapper als bei der Karte für DSA 4, was nach meiner Kenntnis wohl bereits während des Crowdfundings von Teilnehmern desselben bemängelt wurde.. Zudem sind Landschaftsmerkmale wie das Totenmoor oder der Bornwald nicht beschriftet. Fans, die sich noch nicht so gut im Bornland auskennen, könnten dadurch Probleme haben, sich zurechtzufinden. Die anderen Stadtpläne verteilen sich leider nur im Buch.

Die Texte sind okay. Ein paar Absätze mehr wären hier und da schön. Das Inhaltskapitel kommt auf anderthalb Seiten. Karten und Tabellen werden dort ebenfalls aufgeführt. Der Index erreicht zwei Seiten. Seitenangaben sind leider im PDF nicht verlinkt. Interessant ist, dass sich jetzt mehr kleine Geschichten – oder überhaupt Fluff – auf einigen Seiten findet. Kleine Erzählungen und Märchen ergänzen die nüchternen Fakten gut.

Trotz einiger Schwächen bleiben knapp 4 von 5 Bären am Ball.


Von Festum bis zum Ehernen Schwert

Wie von einer Regionalspielhilfe zu erwarten, beginnt das Buch mit der Vorstellung des Landes. Die Flüsse Born und Walsach bilden wichtige Wasserwege. Im strengen bornischen Winter, wenn das Wasser zufriert, können sie gut mit Schlitten oder Kutschen mit Kufen befahren werden. Auch Landreisen sind in dieser Jahreszeit vergleichsweise einfach. Reisen im Frühjahr oder Herbst werden dagegen erschwert, wenn viele Wege sich in Matschpisten verwandeln.

Der Bornwald bildet eine weitere Landschaft, die den Namen des Landes direkt in ihrer Beschreibung drin hat. Der Wald erstreckt sich am mittleren Born und hat etwa eine kreisrunde Form. Das kommt daher, weil der Riese Milzenis dort lebt. Dauerhafte Ansiedlungen im Wald zerstört der Riese. Früher konnte er weiter reisen, doch ein Fluch sorgt dafür, dass er sich nicht zu weit von der Quelle des Nebenflusses Sarn entfernen kann.

Auch in den anderen Landesteilen sind Wälder häufig. Jenseits großer Verkehrswege und der Küste leben nur wenige Menschen. Die Rotaugensümpfe und das Totenmoor werden zudem von gefährlichen Kreaturen bewohnt. Die Sumpfranzen wagen sich vor allem im Winter in die umliegenden Gegenden, um Nahrung zu finden. Das Totenmoor dagegen ist die Heimat für viele Untote und Geister.

Fast alle Stadtkarten (hier Firunen) liegen im Buch nur dort vor, wo sich die jeweilige Stadtbeschreibung findet.

Abgesehen von der Grünen Ebene, dem Perlenmeer und dem Fluss Misa bilden Gebirge die Grenzen des Landes. Rote Sichel und Drachensteine liegen im Westen, die Nordwalder Höhen an der Nordgrenze und im Osten das Eherne Schwert, Widderhörner und Walberge. Die letzten Beiden sind die Heimat für viele Feen, die auch sonst häufig im Bornland vorkommen.

Die Küste ist der am dichtesten besiedelte Teil des Landes. Mit Festum und Neersand liegen dort zwei bedeutende Städte. Neersand profitiert dabei davon, dass der Strudel vor seinem Hafen nicht mehr existiert. Das erleichtert die Seefahrt. Norburg liegt hingegen im Nordwesten. Da die Stadt fast komplett aus Holz besteht, gelten strenge Richtlinien für die Nutzung von Feuer. Vallusa gehört politisch zwar nicht zum Bornland, wird wegen seiner Lage an dessen Südgrenze aber ebenfalls beschrieben. In der freien Stadt bauen die Einwohner in die Höhe, weil der Platz knapp ist.

Die größte Änderung gibt es im Nordosten. Zunächst wurde Notmark im Zuge der Theaterritter-Kampagne zerstört. Zum Zeitpunkt der neuen Spielhilfe sorgten ein sehr langer, strenger Winter und das Erwachen dafür, dass die Natur verrückt spielt. Tiere werden aggressiver, mutieren teilweise sogar. Verarbeitetes Holz wächst auf einmal wieder, Wege werden rasch von Vegetation überwuchert. Dieser „Grüne Wall“ richtet sich gegen die Mächte des Namenlosen. Aus dem Osten, vom Kontinent Riesland, dringen Kälte und Anhänger des verbannten Gottes nach Aventurien. Verschiedene Organisationen beschäftigen sich damit, das jetzt erwachte Land und die neuen Feinde zu studieren.

Damit zeigt die Redaktion, dass sich in Aventurien auch nach dem Ende der Heptarchen noch bedeutende Veränderungen einstellen können. Mir gefällt dieser Ansatz besser als eine statische Welt.

Die alte und neue Landschaft erfreut 5 Bären.


Menschen und Rotpelze

Das Bornland ist eher dünn und hauptsächlich von Menschen besiedelt. Dennoch zeigt sich die Gesellschaft dort komplexer, als mancher Ausländer denkt. Die Adligen des Landes, bekannt als Bronnjaren, haben die nahezu absolute Verfügungsgewalt über ihre Leibeigenen. Der Großteil der Landbevölkerung ist unfrei. Die Bronnjaren kommen zweimal im Jahr zur Adelsversammlung in Festum zusammen. Außerhalb dieser Zeit sorgt der Adelsmarschall, der bzw. die alle fünf Jahre aus den Reihen der Aristokraten gewählt wird, zusammen mit weiteren Amtsinhabern für die Regierung des Landes. Einzelne Bronnjaren genießen dabei große Freiheiten, da sie kaum Regeln oder Kontrolle durch übergeordnete Stellen beachten müssen.

In den Städten, vor allem Festum, hat sich eine kleine Bürgerschicht gebildet. Die wohlhabenden Kaufleute können verarmte Adlige in Abhängigkeit von sich bringen und so die Regierung mitgestalten. Denn das Recht, in der Adelsversammlung abzustimmen, hängt vom Stand ab – nicht von der Geldbörse. Und ihren Stand führen die Bronnjaren auf die Theaterritter zurück, die das Bornland einst von den Goblins eroberten. Neben wohlhabenden Adligen gibt es daher auch sehr arme Vertreter dieses Standes.

Eine Gruppe, die von den Bronnjaren mit Argwohn betrachtet wird, sind die Norbarden. Selbige ziehen größtenteils in kleinen Wagentrecks durch den Norden und treiben Handel mit verschiedenen Völkern. Im Bornland ist ihnen der Besitz von Boden verboten.

Zibiljas sind die traditionellen Zauberinnen der Norbarden.

Noch weniger Ansehen haben die rotpelzigen Goblins. Der übliche Goblin lebt in der Wildnis in einem Stamm. Einige davon überfallen manchmal ihre menschlichen Nachbarn, um Beute zu machen. Daneben findet sich in Festum ein ganzes Viertel mit den rothaarigen Kreaturen. Dort gehen sie allerlei Arbeiten nach, die Menschen unangenehm finden. Dazu zählen das Fangen von Ratten und die Gerberei. Das dieses Volk einst das Bornland beherrschte, ist heute nicht mehr vielen Leuten bekannt.

Die Autoren sind klug genug, um in jedem Volk wichtige NPCs zu setzen. Das umfasst neben dem neuen Adelsmarschall auch Händler, Gelehrte sowie Geweihte bis hin zu rachsüchtigen Goblins und gibt gute Möglichkeiten, um verschiedene Abenteuer im Bornland spielen zu lassen. Wenn ich einen Kritikpunkt anbringen soll, dann der, dass die Eigenschaften der einzelnen Völker jeweils bei entsprechenden Punkten statt gesammelt auftreten. So gibt es kein allgemeines Kapitel zu Norbarden und Goblins. Stattdessen steht z.B. unter „Glaube in der Winterwacht“ das entsprechende Material zu diesen Völkern. Mich stört das allerdings nicht so sehr.

Wieder gefällt 5 Bären das Kapitel.


Zauberer und Götter

Wie die anderen Teile von Aventurien gibt es auch im Bornland eine übernatürliche Komponente. Mit dem Erwachen des Landes tritt diese Eigenart jetzt deutlicher hervor. Das gilt besonders für den Nordwesten, wo im Grünen Wall die lebensspendende Kraft des Landes einerseits und große Kälte aus dem Osten andererseits miteinander ringen. Plötzliche Temperaturänderungen, im Winter blühende Pflanzen, schnell überwucherte Wege und geschlagenes Holz, dass wieder austreibt, sind Anzeichen dafür. Feenwesen sind nach wie vor weit verbreitet und teilweise ebenfalls in den Konflikt involviert.

Die Hexen, Gildenmagier und anderen magischen Traditionen des Landes versuchen, die Hintergründe und Auswirkungen des Erwachens zu verstehen. Zugleich drohen die Horden des Namenlosen, aus dem Riesland einzufallen. Auch an anderer Stelle streiten Gottheiten miteinander. Die Anhänger Kors, zeitweise vom Namenlosen hinters Licht geführt, lehnen die bisherige Ständeordnung ab, die Adlige aufgrund ihrer Ahnenlinie bestimmt. Das setzt sie in Opposition zur Kirche Rondras, die in diesem Fall interessanterweise Unterstützung von den Dienern Praios erhält. Norbarden glauben an die Kraft ihrer Gemeinschaft, die sie Mokosha nennen. Von den Zwölfgöttern verehren sie vor allem Hesinde.

Die Theaterritter eroberten das Bornland einst von den Goblins.

Trotz der überschaubaren Bevölkerungszahl gibt es verschiedene magische Traditionen mit langer Geschichte im Land. Die Zibiljas der Norbarden kümmern sich um die Fortschreibung der Sippenchroniken und den Zusammenhalt ihrer Leute. Gildenmagier werden an drei Akademien ausgebildet, während Hexen eher in der Wildnis leben. Letztere sind bezüglich des Erwachens gespalten. Eine Fraktion will dessen Kraft nutzen, um die Menschen zu vertreiben, die andere genau das verhindern. Die Goblins wiederum haben eigene Zauberinnen, aber keinen sehr ausgeprägten Glauben.

Damit gibt es gleich mehrere Felder, auf denen der übernatürliche Aspekt der Welt das Land prägt. Zudem honoriere ich, dass die Redaktion sich hier mehr traut, als ein paar „kosmetische“ Änderungen durchzuführen, wie es in der Vergangenheit bei mancher Region der Fall war. Zudem wartet mit der drohenden Invasion aus dem Riesland ein neuer, möglicher Schwerpunkt des Metaplots auf seine Zeit.

Etwas schade ist an dieser Stelle, dass Meisterinformationen zu den genannten Themen in einen Extraband ausgelagert wurden. Da dort die Geheimnisse der Personen aufgeführt werden, deren öffentlich bekannte Details aber größtenteils in diesem Buch, wird das Nachschlagen etwas erschwert. Die Erklärung, in diesem Band keine Spoiler für Spieler platzieren zu wollen, kann ich nur teilweise nachvollziehen.

Der Magie und den Göttern sind 4 Bären zugetan.


Fazit

Die neue Struktur und das überarbeitete Erscheinungsbild gefallen mir gut. Zudem zeigt sich im Bornland die Entwicklung der Welt Dere nicht nur in der Neubesetzung einiger Posten, sondern auch ganz direkt im Erwachen mit all seinen Folgen. Für die Zukunft verspricht das spannende Geschichten.

Neben kleineren Kritikpunkten kann die Preispolitik hinterfragt werden. Die Winterwacht ist so teuer wie ältere DSA-5-Regionalspielhilfen, obwohl ihr Umfang deutlich geringer ausfällt. Das ist einerseits angesichts von Kostensteigerungen verständlich, die Ulisses wahrscheinlich treffen, andererseits aber etwas schade. Ob das Fehlen der Regeln u.a. zur Generierung ortstypischer Charaktere fehlt, muss jeder für sich entscheiden – auch wieder mit Blick auf den Kaufpreis, der immerhin unter dem Preis der letzten, teureren Spielhilfe zum Kalifat der Novadis liegt.

Am Ende tollen 18 von 20 Bären vergnügt um das Buch herum.

Ein Kommentar zu „Rezension: Die Winterwacht – Neues im kalten Norden

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